Risiken und Nebenwirkungen – Medikamente am Arbeitsplatz

Die Belastungsprofile in der sich verändernden Arbeitswelt ändern sich massiv: Zeit-, Termin-, Leistungs- und Kostendruck sind Taktgeber der Arbeit. Diese gestiegenen Anforderungen machen hohe Anpassungsleistungen von Arbeitnehmern erforderlich. Viele Arbeitstätige bedienen sich daher Hilfsmitteln, die es ihnen erleichtern oder überhaupt erlauben, ihrer Beschäftigung nachzugehen. Die Verschreibung und Einnahme von Psychopharmaka nimmt zu. Aber: Psychopharmaka haben neben den erwünschten Wirkungen auch Nebenwirkungen, die ein sicheres Arbeiten erschweren können. Und selbst die wünschenswerten Effekte „normaler“ Medikamente können in der Realität des modernen Arbeitsplatz eine sichere Arbeitsausführung verhindern, zumindest jedoch beeinträchtigen.

Dieses Problem hat tatsächlich viele Komponenten – so gilt es unter anderem zu erkennen, dass ältere Arbeitnehmer sich oft in Konkurrenz zu jüngeren sehen, und ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis stellen wollen oder müssen. Ein Mittel, das die Leistung erhält oder gar steigert, ist da oft willkommen. Auch geschlechtsspezifisch gibt es Unterschiede: Während Männer eher Alkohol als Hilfsmittel bei Problemen zu Rate ziehen, bevorzugen Frauen die unauffälligere Variante des Medikamentenkonsums vor. Aber da verschieben sich heutzutage die Anteile, auch Männer neigen immer mehr zu Medikamentenmissbrauch am Arbeitsplatz.

Besondere Aufmerksamkeit ist geboten bei Medikamenten, die wegen ihrer beruhigenden und sedierenden Wirkung die Wahrnehmung, Aufmerksamkeit und Konzentration beeinträchtigen sowie das Reaktionsvermögen herabsetzen. Die Folgen sind Müdigkeit, Mattigkeit und verlängerte Reaktionszeiten. Zudem kann es zu Störungen der Grob- und Feinmotorik sowie der Koordination kommen. Und die Informationsaufnahme und -verarbeitung kann erschwert sein, so dass Gefahrensituationen unrealistisch eingeschätzt werden.

Arbeitsplatzprobleme durch Medikamente

Vorgesetzte müssen – auch arbeitsrechtlich – vorsichtig aber nachhaltig auf Probleme mit der Einnahme von Medikamenten ihrer Mitarbeiter eingehen.

Durch die Medikation bedingte psychische Ausnahmezustände, wie Unruhe, Angst- oder Erregung, machen insbesondere für Mitarbeiter mit Kundenkontakt die Bewältigung der Arbeit schwierig, und umgekehrt sind Kunden irritiert, wenn sich Mitarbeiter nicht konform am Arbeitsplatz verhalten. Manche Psychopharmaka machen aggressiv, was zu Konflikten zwischen Kunden und Kollegen und den betroffenen Mitarbeitern führen können.

Nicht bei allen Medikamenten sind die Risiken offensichtlich. Auch manche ärztlich verschriebenen und notwendigen Medikamente für chronisch Kranke sind mit Bedacht zu verwenden. Und ganz gefährlich: Relativ unbedarft werden selbst verordnete Arzneimittel eingenommen. Wer denkt schon bei Appetitzüglern, Hustenmitteln und Augentropfen daran, dass auch manche dieser Präparate Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit haben können?

Auffällige Verhaltensweisen wie bei einer Alkoholproblematik sind bei Medikamenten oft nur schwer zu beobachten. Kollegen und Führungskräfte bekommen in der Regel erst dann mit, dass etwas nicht stimmt, wenn es zu Auffälligkeiten im Umgang untereinander, zu Leistungseinbußen, zu Störungen des betrieblichen Ablaufs oder zu sonstigen Verletzungen der arbeitsvertraglichen Pflichten kommt. Hat ein Vorgesetzter begründete Zweifel an der Eignung des Mitarbeiters die Tätigkeit körperlich und geistig ausüben zu können, sollte er sich durch einen Eignungsnachweis, den ein Arzt ausstellt, absichern.

Generell gilt bei auffälligem Verhalten am Arbeitsplatz: Je früher die Ansprache erfolgt, desto eher können Verhaltensauffälligkeiten im Leistungs- und Sozialverhalten korrigiert werden. Auch verringert sich die Gefahr einer Leugnung und Verfestigung des Verhaltens. Wichtig dabei: Ein entsprechendes Fürsorgegespräch sollte keinen disziplinarischen Charakter haben. Ändert sich das Verhalten nicht, finden weitere Gespräche statt. Im Zusammenhang mit Suchtmittelmissbrauch gibt es in vielen Unternehmen Betriebsvereinbarungen, in denen – wichtig – mit Zustimmung der Personalvertretung Stufengespräche vereinbart wurden. Den betroffenen Arbeitnehmern sollte allerdings parallel klar und deutlich gesagt werden, dass arbeitsrechtliche Konsequenzen bis hin zur verhaltensbedingten Kündigung drohen.

Innerbetrieblich bietet sich ein Gespräch mit dem Betriebsarzt und der Sozialberatung an. Beide unterliegen der Schweigepflicht. Extern können Betroffene ihren Hausarzt oder Suchtberatungsstellen konsultieren. Wichtig: Als verantwortlicher Vorgesetzter muss man sich an Fakten halten. Wie bei allen Verhaltensauffälligkeiten gilt es sorgsam Fakten zusammenzutragen, sich nicht von Vermutungen und Gerede („Klatsch und Tratsch am Arbeitsplatz“) beeinflussen zu lassen oder sich dadurch zu einer unbedachten Entscheidung hinreißen zu lassen.

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